Kunrad 80 August 12 Büchertelefonzelle un Stadtbus

Kunrad 80

Gude, die Herrschafte,

isch bin ja auch so einer, der gern vorm Fernseher sitzt un vor sich hinglotzt, Schlappe un Flaschebier inklusive! Des regt mei Frau ständig uff: „Mach doch emal was!“ Wege mir, steh isch halt uff un geh in die Wertschaft! Des is ihr awer immer noch zu wenig, dann sacht se, isch sollt was lese. Dann langt nit die Zeitung, nein, e Buch muss es sein. Nun geht ja bekanntlich der Trend zum Zweitbuch, mir habbe awer e ganz Herd mehr an dene literarische Werke, daran liegt´s also nit. Awer isch hab abends, wenn isch müd geschafft bin, einfach keine Lust mehr uff die Ergüsse diverser neuzeitlicher Autoren.

Da sagt mei Fraa, die Stadt hätt was Neues im Braaret errichtet, da wär jetzt eine Telefonzelle in ein Bücherschrank umgebaut worde. Hier, isch lauf doch nit wege e Telefonzelle durch die Stadt. Sagt mei Frau, des müsst isch nit, weil de Stadtbus mich da ohne Umweg hinbringe würd. Gut, wie so ein Computer dauernd eine Erneuerung brauch, so geht´s mir auch. Also hab isch im Sinne eines Rödermark-Updates eingewilligt un bin los. Mei Fraa hat gestrahlt, dass se misch los war un isch bin an die Bushaltestell. Dem Fahrer hab isch als Reiseziel „Braaret Kulturzelle“ angegebe un dann is der durchs Ort geschustert. Hier, wo der iwerall vorbei gegondelt is, also isch hätt jed Wett verlorn, dass da Busse dorsch passe. Nur e Wunner, dass er nit in Oweroure dorschs Weihgässje odder in Orwisch dorschs Pfädche an de Feuerwach gefahrn is. Un e Tempo hat der! Kerle, Kerle, da hätt sich de Schumi noch was abgucke könne!

Schließlich war ich an dem Büchertelefonhäusje. Das is top modern! Owedruff eine Solarzelle, dass Licht is. Muss mer erst mal druff komme! Jetzt sin da quasi Bücher drin un du kannst dir eins mitnehme. Du derfst es sogar behalte, wann de dafür e Neues bringst. Mich hat gewundert, dass da überhaupt noch e Buch drin war. Es Problem liegt awer ganz woanners, weil die Leut ein Haufe Bücher vorbeibringe un keine mitnehme. Isch hätt ja auch ein paar Schwarte mit romantische Frauegeschichte, die isch da gern heimlich entsorgt hätt, weil isch so Skrupel hab, ein Buch fortzuschmeiße. Dabei gibt´s jede Menge Bücher, die vortrefflich in jed Altpapiertonne passe. Awer, wenn mer´s doch nit kann!

Isch hab mir dann kein Buch mitgenomme, was folgerichtig Ärger mit meiner Ehehälfte bedeutete un mir die Worte „Kulturbanause“, „Lesemuffel“ un „Bildungstrottel“ bescherte. Da hab isch gesacht, isch hätt doch zwei Bücher mitbringe könne, die wunderbar zu meiner Fraa gepasst hätte: „Das Luder“ un „Die Irre von Chaillot“. Seitdem herrscht bei uns auf der literarischen Ebene Funkstille. Isch schalt jetzt gleich mal de Fernseher an un wünsch Ihne was!

Meine Verehrung

Ihne Ihrn Kunrad

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