Kunrad 177
Gude, die Herrschafte,
es wird ja oft üwern Fortschritt geschennt, awer manches is doch ziemlich gut. Nur emal zum Beispiel Lärmschutzfenster. Isch war nämlich mit meiner Fraa im Süddeutsche unnerwegs. Mir sin auch ins Hotel, natürlich ins erste Haus am Platz. Genauer gesacht, war´s es erste Haus am Bahnhof. Die Aussicht naturgemäß erstklassisch: ein ungehinderte Blick auf die Gleise des Bahnhofs un es Materiallager der Bahnarbeiter. Gut, wie mer morgens uffgewacht sin, hatte mir gleich emal die Schallschutzfenster uffgemacht. Jetzt hatte mei Fraa un isch unnerschiedliche Meinunge, wie mer den Vormittag mit größtmöglichem Gewinn verbringe könnt. Während isch Richtung Weißworschtfrühstück tendierte, bevorzugte mei Gattin einen ausgedehnte Einkaufsbummel. Dies führte zum Austausch der unterschiedlichsten Argumente bei nicht durchgehend dezenter Lautstärke. Jedenfalls habe die Bahnarbeiter zu uns hochgekrische. „Macht doch emal es Fenster zu, mer versteht ja sein eigen Wort nit!“ Dem habbe mir Folge geleistet, was zeigt, dass so e Lärmschutzfenster doch ein Segen sein kann un mer sich dem Fortschritt gegenüber nit immer ablehnend zeige sollte.
Gar kein Fortschritt gibt´s hingege in de Bahnhofstraß. Grad letzt Woch hab isch neun Mitarbeiter von Hessen Mobil die Baustell entlangschlendern sehe. Genauso ratlos, wie isch mir den Haufe immer vorgestellt hab. Da schwant einem nix Gutes. Mir tun die dortige Anwohner un Geschäftsleut in de Seele leid, des muss doch mal irgendwann fertig werde.
Noch weniger Fortschritt is in Sache Corona zu sehe. Unsere Medien drehe richtig uff un verkünde eine schlechte Nachricht nach de anner, um ihr Auflage noch weiter zu steigern. Un viele Politiker steige voll in die Schwarzmalerei mit ein. In Folge dessen habbe die Leut immer mehr Angst, sitzte daheim, kaufe nit mehr ein un denke an de Weltunnergang. Währenddesse verkünde Ärzte un mittlerweile sogar Virologe, dass es mit dieser Stimmung endlich vorbei sein müsse. Steht awer nur auf Seite 2 ganz unne un klein.
In diesem Sinne habbe die Orwischer Kerbmädscher un –buwe dennoch e bißje gefeiert. Un an Oweräirer Kerb hat de Germania Biergarte uff un im Dinjerhof wird ebenfalls, wenn auch intern und, wie mer ständig bei alle mögliche Veranstaltunge bis zum Erbreche lese kann, unner Einhaltung der Hygienevorschrifte, die Kerb würdig begange. Sogar en Kerbspruch soll´s gebe. Das is die richtisch Einstellung! Davon braucht´s viel mehr, damit mer irgendwie durch Herbst un Winter komme. Auf geht´s!
Meine Verehrung
Ihne Ihrn Kunrad
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